Was sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Käufertypen?

Kaeufertypen
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Lesezeit: 9 Minuten

Einleitung Käufertypen mit Blick auf Brands <20M Umsatz

In diesem Artikel möchte ich mich den möglichen Käufertypen für ein E-Commerce-Business mit einem Umsatz von <20M pro Jahr und den Unterschieden in Ihrer Herangehensweise widmen.

Erstmal: warum die Eingrenzung des Umsatzes? Weil wir in dieser Größenordnung beraten und ich daher sehr genaue Insights zu diesem Bereich geben kann. Unternehmen, die deutlich darüber liegen, benötigen eine ähnliche, aber umfangreichere Betrachtung, die ich an dieser Stelle nicht ausführen möchte.

Käufertypen und Motivation

Beginnen wir mit der Übersicht möglicher Käufertypen und Ihrer Motivation hinter dem Kauf eines E-Commerce-Unternehmens:

1 – Privatinvestor/Quereinsteiger
Meist handelt es sich hier um gut verdienende Angestellte, die nach vielen erfolgreichen Jahren im Anstellungsverhältnis selbst die Zügel in die Hand nehmen wollen und Ihr eigenes Business kaufen möchten. Seltener beobachte ich hier den Einstieg von Privatiers als reines Investment, sondern es geht hier maßgeblich darum sich eine bereits erfolgreiche “Selbstständigkeit zu kaufen”. 

2 – Händler
Naheliegenderweise treten natürlich auch andere Händler, die das Geschäftsmodell bereits kennen und mit den Abläufen vertraut sind als Käufer auf, um anorganisch neben ihrem bereits existierenden Portfolio zu wachsen.

3 – Inkubator + Buy & Build
Ein recht vertrauter, aber im E-Commerce noch neuer Ansatz, den man aber bereits aus anderen Branchen kennt, ist der des “Buy & Build”-Modells, bei dem um einen Unternehmenskern – oft mit Investorengeldern finanziert – eine Gruppe von kleineren Assets mit ähnlichem Geschäftsmodell dazugekauft wird; oft mit der Absicht, die größere Gruppe irgendwann im Rahmen eines strategischen EXITs selbst wieder zu veräußern – dann aber durch Skaleneffekte zu einem höheren Multiplikator. Man könnte auch von Multiple-Arbitrage sprechen.

4 – Aggregator
Dieser Käufertyp samt Modell dürfte allen bekannt sein, die in den letzten Jahren im E-Commerce tätig waren. Teams mit einem Setup aus Finanz- und Operations-Hintergrund, die im großen Stile Shops aufkaufen, um von Skaleneffekten zu profitieren, mit dem langfristigen Ziel eine P&G-ähnliche Strategie zu verfolgen.

5 – Branchenstrategen
Wenn jemand vom “Strategen” spricht, meint er meiner Meinung nach meist den Branchenstrategen, also ein Insider-Unternehmen aus der eigenen Branche (z. B. für eine E-Commerce-Brand im Bereich “Teppiche”, ein Retail-Riese wie z. B. Kibek). Hier steht meiner Meinung nach ganz oft der “Kompetenz-Zugewinn” im Fokus und nicht so sehr der Zukauf der Cashflows an sich.

6 – Finanzstrategen
Eine andere Art Stratege und auch der meiner Meinung nach letzte Käufertyp in dieser Größenordnung von Unternehmen, ist der Finanzstratege. Es kann sich hier um kleinere Private-Equity-Häuser oder auch Family-Offices handeln, die Ihre Portfolio-Strategie diversifizieren wollen und in diesem Zusammenhang auch im E-Commerce tätig werden möchten. Hier stehen Zahlen und strategische Expansionshebel (oft über Portfolio-Synergien) stark im Fokus und es darf nicht erwartet werden, dass hier operative Übernahme angestrebt ist – mehr dazu aber im nächsten Abschnitt.

Unterschiedliche Herangehensweisen der Käufertypen

Die Käufertypen unterscheiden sich in vielerlei Punkten – ich möchte folgende vier pro Käufertyp im Rahmen dieses Artikels vergleichen:

  • Operativer Übernahmeansatz
  • Finanzierungsvorgehen
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung
  • Ausblick auf Zukunft der Marke

Diese gehe ich im folgenden pro Käufertyp durch.

Privatinvestor/Quereinsteiger

  • Operativer Übernahmeansatz:
    Sucht oft nach einer Selbstständigkeit und möchte selbst das Business operativ führen. Benötigt oft viel operative Einarbeitung und bestenfalls vordefinierte Prozesse.
  • Finanzierungsvorgehen:
    Finanziert oft mit einem konservativen Fremdkapitalpartner (z. B. Hausbank) und muss entsprechend Eigenkapital mit in den Deal bringen. Hier spielen Verkäuferdarlehen eine große Rolle.
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung:
    Dadurch, dass ihm oft nicht die notwendigen Analyseinstrumente vorliegen, um eine Analyse vorzunehmen, ist es am wichtigsten Vertrauen aufzubauen. Zudem müssen Banker und Steuerberater mit ins Boot geholt werden!
  • Ausblick auf Zukunft der Marke:
    Die Übernahme läuft meistens eher langsam und vorsichtig, aber mit viel Bedacht die Performance zu halten. Die Einarbeitung ist eher intensiv und kleinteilig. Die Marke entwickelt sich oft auf dem aktuellen Niveau weiter, es sind aber meistens keine großen Sprünge zu erwarten.

Händler

  • Operativer Übernahmeansatz:
    Sucht nach anorganischem Wachstum zusätzlich zu seinem bereits existierenden Portfolio und strebt meiner Beobachtung nach, oft nach dem zusätzlichen Cashflow, auch zur Erhöhung des eigenen Company-Values. Benötigt sehr wenig operative Einarbeitung.
  • Finanzierungsvorgehen:
    Finanziert oft mit einem konservativen Fremdkapitalpartner (z. B. Hausbank) und will zudem meistens kein bzw. wenig Eigenkapital einbringen. Verkäuferdarlehens und Earn-Outs spielen oft eine größere Rolle.
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung:
    Im Gegensatz zum Quereinsteiger hat der Händler viel Erfahrung mit dem Business-Model und ein gutes Bauchgefühl, was bereits funktioniert und was nicht bzw. welche Risiken im Modell stecken. Die primären Fragen werden hier meiner Erfahrung nach oft in Richtung “Warum soll verkauft werden?” gestellt.
  • Ausblick auf Zukunft der Marke:
    Die Übernahme läuft oft flüssig und schnell, die Entwicklung der Marke hängt stark davon ab, ob diese im Portfolio des Händlers eine große oder kleine Rolle spielt. Kleinere Assets werden oft implementiert und dann nicht großartig weiterentwickelt, sondern als Cashflow weiterbetrieben, große Assets werden oft in den Fokus gerückt und weiter ausgebaut.

Inkubator + Buy & Build

  • Operativer Übernahmeansatz:
    Die Marke muss in das angestrebte Branchenmodell passen und auch zur Expansionsstrategie des Inkubators beitragen. Es wird hier sehr selektiv gekauft und meiner Erfahrung nach sehr nischen-fokussiert, um ein mittelfristig gut zusammengesetztes Marken-Portfolio zu bauen.
  • Finanzierungsvorgehen:
    Diese Art Käufer ist meiner Erfahrung oft mit einer stabilen Basis Eigenkapital (über Investoren oder eigene unternehmerischen Erfolge) ausgestattet und ergänzen diese bei Übernahmen durch Fremdkapitalhebel via konservativen Fremdkapitalpartnern (z. B. Hausbank).
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung:
    Ähnlich wie Aggregatoren, sind Inkubatoren sehr gut in der reinen Analyse der historischen Daten und im Bau von Forecasts samt realistischer Abschätzung möglicher Expansionspotentiale. Es herrscht also keine irrationale Angst, sondern eher eine Art rationaler Respekt vor der Übernahme.
  • Ausblick auf Zukunft der Marke:
    Meiner Meinung nach hat die Marke bei Übernahme durch einen Inkubator exzellente Zukunftsaussichten, wenn das Team dahinter gut aufgestellt ist. Die Kombination aus operativen Kenntnissen und strategischem Finanzwissen stellt eine super Basis dar.

Aggregator

  • Operativer Übernahmeansatz:
    Zu diesem Modell brauche ich wohl am wenigsten erklären. Es wird schnell operativ übernommen und nach wenigen Wochen ist der ehemalige Gründer operativ abgelöst. Teams werden selten mit übernommen, sondern durch Inhouse-Strukturen ersetzt.
  • Finanzierungsvorgehen:
    Hier wird komplett inhouse und ohne Bank finanziert – oft wird diese Struktur über das eingesammelte Eigenkapital in Kombination mit den von eigenen Risikokapitalgebern zur Verfügung gestellten Kreditlinien oder anderen Fremdkapitalmitteln abgebildet.
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung:
    Es findet hier meiner Erfahrung nach inzwischen eine exzellente Datenanalyse statt, primär auf Makromarktentwicklung und produktspezifischen Performance-Daten. Ängste gibt es hier nicht wirklich, da man seiner Analyse vertraut. Einwandbehandlung ist dahingehend nicht wirklich möglich, da die Investitionsentscheidung eher “hart” getroffen wird, als verhandelbar wäre. Grundlage dafür ist meist ein zweistufiger Prozess mit einer Analysten- und einer Investment-Committe-Entscheidung.
  • Ausblick auf Zukunft der Marke:
    Prinzipiell hat die Marke hier gute Chancen auf Expansion und eine rosige Zukunft. Die schlechte Übernahme-Performance aus der Vergangenheit ist wohl auch dem (zu) großen Übernahmevolumen und der (zu) hohen Übernahmefrequenz von Marken geschuldet. Dieses Problem sehe ich aber zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels (September 2023) nicht mehr so akut.

Branchenstrategen

  • Operativer Übernahmeansatz:
    Die Übernahme macht für den Branchenstrategen meiner Ansicht und Erfahrung nach nur Sinn, wenn ein strategischer Zugewinn für die ganze Unternehmensgruppe entsteht. Beispiel dafür kann die Übernahme eines E-Commerce-Teams durch einen Retail-Riesen, samt Übernahme des Wissens für die existierenden Marken innerhalb der Strategen-Struktur sein. Eine Übernahme ohne Team und ohne Übernahme des bisherigen Geschäftsführers findet meiner Erfahrung nach nicht statt, sondern diese beiden Teile bilden das Herz der Übernahme-Strategie. Alternativ findet eine lange und intensive Einarbeitung eines bereits beim Strategen existierenden Teams statt – das ist aber eher die absolute Ausnahme.
  • Finanzierungsvorgehen:
    Hier wird oft über existierende Cashflows und Eigenkapital finanziert oder im Falle von Strategen, die selbst Teil einer Investment getriebenen Private-Equity-Struktur sind, durch Kapital durch die PE-Holding.
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung:
    Die zentrale Angst, die ich hier beobachte, ist die der misslungenen Implementation durch Verlust von Kernkompetenzen und Teammitgliedern. Der Stratege weiß meist sehr gut um seine Kompetenzen und auch an welchen es mangelt und fürchtet daher, dass die Kernkompetenzen, die im E-Commerce in der besprochenen Größenordnung noch oft in der 1. Führungsebene (Gründer) hängen, wegfallen könnten. Die Folge daraus sind oft lange Übergangsphasen und Verpflichtungen des Gründers nach EXIT für einen längeren Zeitraum als z. B. bei Aggregatoren (vorwiegend nur 3-6 Monate Übergabe) operativ zur Verfügung zu stehen – oft bis zu 2 oder mehr Jahren.
  • Ausblick auf Zukunft der Marke:
    Bei ausreichend Fokus für die neue – und wohl auch kleinere im Vergleich zum Kerngeschäft – Marke, sind die Zukunftsaussichten hier sehr gut. Die bisherigen Erfolgsgaranten im Team werden mitübernommen und mit den zweifelsohne besten operativen Kenntnissen aller Käufertypen in dem jeweiligen Markt der Marke kombiniert. Expansion auf andere Kanäle und in andere Märkte stehen hier oft im Fokus und können für viel Wachstum sorgen. Dennoch gibt es natürlich auch hier negative Gegenbeispiele.

Finanzstrategen

  • Operativer Übernahmeansatz:
    Angelehnt an den Branchenstrategen benötigt es hier meiner Meinung nach noch eher existierende Strukturen und deutlich eher ein “Unternehmen” als einen reinen “E-Commerce-Cashflow”, wie er z. B. oft von Aggregatoren gesucht wird. Der Übernahmeansatz des Finanzinvestors ist hingegen im Vergleich zum Branchenstrategen weniger nischengetrieben, sondern deutlich mehr mit Fokus auf die bestehenden und zukünftigen Cashflows ausgerichtet.
  • Finanzierungsvorgehen:
    Hier verhält es sich ähnliche wie beim Branchenstrategen. Es wird aus Eigenkapital finanziert bzw. um Finanzmittel der Kapitalgeber erweitert/gehebelt.
  • Ängste / Notwendige Einwandbehandlung:
    Noch weniger Bestreben die operative Führung des Unternehmens zu übernehmen als der Branchenstratege hat wohl nur der Finanzstratege. Entsprechend höher ist hier auch noch der Einwand eines möglichen Ausscheidens der bisherigen “Erfolgsbringer”. Das mündet in meiner Erfahrung nach noch strengeren EXIT-Regeln für die Gründer nach Verkauf der Anteile – oft bis zu 5 Jahre Verbleib in der Firma, samt (Teil-)Zahlung der Anteile in Form von Vesting-Modellen.
  • Ausblick auf Zukunft der Marke:
    Finanzstrategen haben sehr viel Erfahrung mit Investments in existierende Geschäftsmodell und sind auch sehr gut darin diese weiterzuentwickeln. Tendenz ist also auch hier eine gute Weiterentwicklung der Marke, da auch hier die Kernkompetenzen in Form des bisherigen Teams und oft auch Gründers erhalten bleiben.

 

Entwicklung seit Anfang von 2019 bis 2023

Nachdem wir jetzt beleuchtet haben, welcher Käufertyp worauf achtet und welche Strategie verfolgt, ist es natürlich noch interessant auf die aktuellen Entwicklungen zu blicken.

Dafür muss man allerdings erstmal beleuchten, woher der gesamte Markt kommt.

Vor dem stark spürbaren (in Transaktionsmenge und -bewertung) Einstieg der Aggregatoren in 2020 und speziell 2021, existierte gerade in Europa nur ein kleiner Nischenmarkt an Übernahmen im Bereich E-Commerce für Unternehmen <20M Jahresumsatz.

Die meisten Übernahmen wurden von Privatpersonen und anderen Händlern umgesetzt mit den zuvor bereits erwähnten Strategien.

Ohne dafür Zahlen erhoben zu haben, behaupte ich, dass >90% aller Transaktionen in den Jahren 2020 und 2021 dann von Aggregatoren und Inkubatoren umgesetzt wurden, mit starkem Fokus auf Ersteren.

Nachdem ab Q2-2022 die Nachfrage der Aggregatoren nach neuen Brands spürbar zurückging, konsolidierte sich der Markt an Übernahmen spürbar und schrumpfte auch gefühlt in der Menge der durchgeführten Transaktionen sehr stark – geld- und geopolitische Unsicherheiten spielten hier sicherlich einen großen Anteil.

Mit Blick auf die Zeit zu der ich diesen Artikel schreibe (September 2023), stellt sich der Markt meiner Meinung nach wieder deutlich aktiver dar und es herrscht eine bunte Mischung mit Blick auf den Anteil der Übernahmen zwischen den verschiedenen Käufertypen.

Dabei spielen Aggregatoren für viele Übernahmen immer noch eine große Rolle, aber die Dominanz ist (zumindest innerhalb unserer Betreuungen und meines Netzwerks) bei weitem nicht mehr so spürbar, wie noch in 2021.

Ein Verkauf an die anderen Investorentypen ist also durchaus realistisch und sollte entsprechend auch hinsichtlich der Vorbereitung gut bedacht werden. Eine Anleitung dazu findest Du in folgendem Artikel.

Fazit Verkauf und Input zu Deals

Generell muss man sich mit Blick auf die unterschiedlichen Käufertypen und ihre Vorlieben meiner Meinung nach immer folgende Frage stellen:

An WEN will ich WANN und zu welcher BEWERTUNG in welcher KONSTELLATION verkaufen und wie möchte ich mit dem Käufer DANACH VERBUNDEN sein?

Die verschiedenen Teile der Frage, haben alle direkte und indirekte Folgen auf eine mögliche Strategie, aber auch Vorbereitung des Deals.

Wenn Du maßgeschneidert zu Deiner Brand eine strategische Roadmap erarbeiten möchtest und individuelle Fragen zu den verschiedenen Käufertypen hast, dann vereinbare Dir unter folgendem Link gerne ein kostenloses Erstgespräch mit mir.

Ich wünsche Dir viel Erfolg beim weiteren Aufbau Deiner Brand und bei Deinem potentiellen EXIT.

Beste Grüße
Lucas Beier

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