Wie findet eine Bewertung meines Unternehmens statt?

Wie findet eine Bewertung meines Unternehmens statt
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Lesezeit: 9 Minuten

Einführung 

Bevor ich mich entscheiden kann, ob ein EXIT meines Assets bzw. Unternehmens überhaupt in Frage kommt, muss und möchte ich mir wahrscheinlich einen groben Überblick verschaffen, welchen Wert ich damit generieren kann. Es bietet sich hier an, in die generelle Bewertungsmethodik von Unternehmen einzutauchen, die es im Rahmen der M&A-Branche schon historisch hergebracht gibt.

In diesem Artikel will ich von einem allgemeinen Überblick hin zu einem sehr detaillierten Bewertungsvorgehen für ein E-Commerce-Unternehmen zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels (Mai 2023) führen.

Überblick der Bewertungsmethoden

Typische Arten der Unternehmensbewertung

Im wirtschaftlichen Umfeld gibt es unterschiedliche Arten und Weisen, wie Unternehmen bewertet werden. Dabei setzen sich typischerweise in verschiedenen Branchen unterschiedliche Verfahren durch. So gibt es zum Beispiel Verfahren wie die Substanzwertmethode oder auch das Reproduktionsverfahren, die zu den substanzbasierten Verfahren gehören. Alternativ dazu gibt es in anderen Bereichen kapitalwertbasierte Verfahren, wie zum Beispiel das Ertragswertverfahren oder aber die Discounted-Cashflow-Methode. Sowohl die substanzbasierte, als auch die kapitalwertbasierte Bewertung findet im Bereich der E-Commerce-Marken bzw.  E-Commerce-Assets (speziell unter 10 Millionen Asset-Wert) eher selten Anwendung.

Hier haben sich marktwertbasierte Verfahren, insbesondere das Multiplikatoren-Verfahren etabliert. Meiner Meinung nach ist es zum Industriestandard geworden, E-Commerce-Assets nach diesem Verfahren zu bewerten. 

Dabei geht es prinzipiell darum, eine Bewertungsgrundlage festzulegen und eine bestimmte Multiplikatoren-Höhe daran anzulegen, mit der diese multipliziert wird, um einen finalen Asset-Wert festzustellen. 

Dabei sind sowohl Bemessungsgrundlage als auch Multiplikatoren natürlich zwei individuelle und auch marktabhängige Teile der Gleichung, die jeweils von unterschiedlichen Punkten beeinflusst werden und zum positiven oder zum negativen tendieren können. Speziell der Multiplikator hängt sehr stark am allgemeinen Markt-Umfeld und an den allgemeinen Bewertungen, die zum Zeitpunkt der Bewertung im Markt Anwendung finden. Solltest Du Interesse daran haben, mehr über Timing und Markt-Umfeld zu erfahren, findest Du in diesem Artikel mehr Input dazu und unsere Meinung zum Thema Market-Timing.

“Multiple-Verfahren“ im E-Commerce

Bei der Optimierung der “Einkaufsseite” Deiner Brand gilt es erneut  zwischen „Optimierung“ und „Absicherung“ zu unterscheiden, wobei unserer Meinung nach die Absicherung bei der Verteilung von Ressourcen, zuerst erfolgen sollte. Wenn dann innerhalb des Prozesses noch Zeit bleibt, können weitere Verbesserungen angestrebt werden. Den Fokus legen wir hier auf die Themen „Produktsicherheit“ (Sicherstellung, dass alle Import-Verordnungen, etc. eingehalten werden), „Versorgungssicherheit“ (Sicherstellung, dass auch in Zukunft garantiert genug Bestand vorhanden ist und auch nachbestellt werden kann – zu gleichen oder zumindest ähnlichen Konditionen) und das „Einziehen von Rückfallebenen“ (z.B. Ersatzlieferanten, Maßnahmenpläne zur Herstellung eines Idealzustands, etc.), falls diese nicht gegeben sind.

Sobald diese Optimierungen abgeschlossen sind, können Themen wie „Erweiterung der Produkt-Pipeline„, „Verbesserung der Einkaufskonditionen“ (Preise, Zahlungskonditionen, etc.) oder aber auch „Dokumentation von Einkaufsprozessen“ angegangen werden. Die Priorisierung erfolgt dabei innerhalb unserer Beratung auf Basis der “Notwendigkeit für ein erfolgreiches Fortführen des täglichen Geschäftsgebaren“ – eine den Import-Normen entsprechende Lagersituation hat dabei unserer Meinung nach eine höhere Priorität als die perfekte Portfolio-Planung für die nächsten 24 Monate und muss daher zuerst sichergestellt werden.

Bewertungsdetails und Zahlungsstruktur

Definition Bemessungsgrundlage samt Sonderrolle 2020 & 2021

Meiner Meinung nach haben insbesondere die Jahre 2020 und 2021 dabei eine Sonderrolle eingenommen. Dadurch, dass extrem viele institutionelle Investoren gleichzeitig mit hohen Versprechungen gegenüber ihren eigenen Investoren in den Markt eindrangen und zudem ein äußerst optimistischer wirtschaftlicher Ausblick für E-Commerce (weitere Informationen dazu findest Du im folgenden Blog-Beitrag) generell vorlag, schaukelten sich die Bemessungsgrundlagen teilweise von Monat zu Monat noch weiter nach oben. 

Die Spitze des Ganzen hatten wir innerhalb der Beratung gesehen, als teilweise auf Basis eines Deckungsbeitrags III, noch eine Art Justierung um entgangene Umsätze in Form von Out-of-Stock-Events in den Bewertungs-Geprächen vorgeschlagen wurden und darauf dann ein nicht geringer Multiple gelegt wurde. Diese Phase war wohl der Zenit des damals eindeutigen “Verkäufer-Markts”. Auch an dieser Stelle möchten wir wieder jedem Händler gratulieren, der zu dieser Zeit sein Asset beziehungsweise sein Unternehmen gewinnbringend verkaufen konnte, denn eine solch hohe Bewertung wird unserer Meinung nach nicht so schnell wieder auftreten.  Dies hat verschiedene Gründe, die wir innerhalb dieses Blog-Artikels leider nicht umfangreich analysieren können. 

Sehr häufig und auch zum Zeitpunkt, zu dem ich diesen Blog-Beitrag schreibe (Mai 2023), findet eine Bemessungsgrundlage immer auf Basis eines adjustierten EBITDAs statt. Dieses kennt man aus anderen wirtschaftlichen Umfeldern bzw. Unternehmenstransaktionen in anderen Bereichen – es nimmt aber weiterhin (wenn auch nicht mehr so extrem wie in 2020 und 2021) gewisse Sonder-Abwandlungen innerhalb des E-Commerce-Bereichs ein, da nach wie vor eine Menge Adjustierungen gemacht werden können, die es wohl im üblichen Unternehmens-Verkaufsumfeld eher selten gibt. 

So werden ganz oft Kostenpositionen, die nur einmalig auftreten, wie zum Beispiel Anwaltsgebühren zur Lösung eines Konflikts oder aber auch Software-Tools, die nicht länger verwendet werden, aus der Grundlage herausgerechnet. Ebenso wird oft das Geschäftsführergehalt des Gründers im Rahmen einer Adjustierung auf das EBITDA gerechnet und erhöht damit die Bemessungsgrundlage zur Bewertung des Assets

Prinzipiell hat man sich aber inzwischen von der Bewertung auf Deckungsbeitrag-III-Ebene wegbewegt und nähert sich immer mehr einer üblichen Bewertungsmethodik an. Meiner Erfahrung nach war es stets allen Käufern gewahr, dass eine Bewertung auf Deckungsbeitrag III nicht zwingend sinnvoll ist.  Das extrem kompetitive Umfeld mit vielen kapitalstarken Konkurrenten im Käufer-Umfeld hat aber gewissermaßen dazu gezwungen, da eine Deckungsbeitrag-III-Bewertung deutlich einfacher, unkomplizierter und schneller vorzunehmen ist als eine komplexe Aufstellung eines adjustierten EBITDAs. Diese erfordert oft eine detaillierte Finanzaufbereitung von Verkäuferseite z. B. in Zusammenarbeit mit einem Verkaufsberater/Broker wie uns. Mehr zur Kreation dieser Aufbereitung inklusive sogenannter Profit-Bridge zwischen Deckungsbeitrag III und EBITDA folgt zu einem späteren Absatz in diesem Blog-Beitrag.

Inflation von Multiples in 2020 & 2021

Auch der zweite Teil der Wertermittlungsgleichung – die Multiplikatoren – waren unserer Erfahrung und Meinung nach in 2020 um 2021 im Bereich der E-Commerce Shops teils inflationiert und ein Stück über dem, was wir zum Zeitpunkt des Schreibens des Artikels (Mai 2023) im Markt wahrnehmen. Dieser Zustand lässt sich meiner Meinung nach ebenso auf das kompetitive Käufer-Umfeld in 2020 & 2021 zurückführen, aber auch auf makroökonomische Randbedingungen, wie sie zum damaligen Zeitpunkt vorlagen: niedriges Zins-Umfeld, gutes E-Commerce-Konsumklima, freizügige Geldpolitik und ein extremer Drang hin zum Onlinehandel.

Unserer Meinung nach interpretierten viele aktiv auftretende Käufer einen höheren Wert in die Assets, als es ihnen selbst lieb war, weil sie auf Basis des Umfeldes mussten. Erschwerend kam im Nachgang an die Kaufwelle hinzu, dass im Rahmen der Wertschöpfungskette realisierte werden musste, dass die Betreuung durch den erfahrenen Händler Vorteile gegenüber dem Umzug ins eigene Inhouse-Team hatte, welches sich innerhalb des neuen Assets und seiner individuellen Operations erst zurechtfinden musste. Dies sorgte für eher konservative Ergebnisse und nicht den gewünschten und teils geplanten Profit-Anstieg und drückt daher jetzt auf Basis der vergangenen Erfahrungen auf die Bewertungen der Unternehmen. Es zeigen daher nach dieser Phase samt Normalisierung der Umgebungsbedingungen (kein Lockdown mehr) die Multiplikatoren eher nach unten. Die stark steigende Zinsentwicklung trägt weiterhin dazu bei. Wenn Du erfahren möchtest, welche Multiplikatoren beziehungsweise Bewertungsgrundlage wir für Dein Unternehmen als realistisch erachten, kannst Du Dich gerne über diesen Link zu einer kostenfreien Erstberatung eintragen, bei der wir Dir einen ungefähren Wert Deines Unternehmens auf Basis der Berechnungsgrundlage und des Multiplikators angeben können.

Bau einer Profit Bridge

Dabei nehmen wir im Prinzip nichts anderes als den Aufbau einer Profit-Bridge vor. Dies meint in diesem Zusammenhang das Delta zwischen dem Ergebnis nach Steuern, welches Du in Deiner BWA vorfindest und Deinem Deckungsbeitrag III, den Du oft über Auswertungstools wie Sellerboard oder Lifetimely erhältst. Dazwischen liegen sämtliche variablen aber auch fixen Kosten, die monatlich beziehungsweise jährlich innerhalb Deines Unternehmens anlaufen können, wie zum Beispiel Steuerberatungsgebühren, Buchhaltungskosten, allgemeine Produktentwicklungskosten, Marketingkosten, Personalkosten und vieles mehr.

Unsere Erfahrung ermöglicht es uns an dieser Stelle, die bestmögliche Aufschlüsselung der Kosten für eine gute Nachvollziehbarkeit auf Interessenten-Seite zu garantieren, aber auch die möglichen Adjustierungen vorzunehmen, um Dir eine erhöhte Bemessungsgrundlage zum Anlegen eines Multiplikators für Deinen kommenden Deal zu ermöglichen.

Dabei lassen sich, wie zuvor bereits innerhalb dieses Artikels erwähnt, zum aktuellen Zeitpunkt (Mai 2023) insbesondere einmalig anfallende Posten, Dein Geschäftsführer-Gehalt oder auch Rechtsanwalts-, Fortbildungs- und Beratungskosten relativ gut adjustieren und damit die Profit-Bridge erweitern. Im Gegensatz zu 2020 und 2021 ist es meiner Meinung nach aber nicht länger möglich (wohl verständlicherweise) Kosten für Agenturen, Personal, gebuchte Express-Importe oder Ähnliches zu bereinigen, da sie zum ganz normalen Geschäftsbetrieb gehören und auch notwendig sind, um das Unternehmen weiterzuführen. Diese waren meiner Interpretation und meinen Informationen zufolge sowieso schon immer (auch in 2020 und 2021) in den Angeboten eingepreist, allerdings nicht als solche benannt, um sich innerhalb eines kompetitiven Umfelds besser und effizienter in Richtung Angebotsabgabe bewegen zu können.

Nach Fertigstellung dieser Profit-Bridge landet man bei einer finalen Bemessungsgrundlage – dem adjustierten EBITDA. Auf dieses wird im E-Commerce-Deal-Umfeld ein individueller, aber branchenspezifischer Multiple gelegt. Das Produkt der beiden Faktoren miteinander ergibt danach das finale Ergebnis der Asset-Bewertung. Sehr oft wird dann zusätzlich noch der vorliegende Lagerbestand zum Einkaufswert übernommen. Nach Addition der beiden Werte miteinander erhält man also die finale Summe der Transaktion (im Falle eines Asset-Deals).

Upfront-Payment vs. Stability-Payment vs. Earn-Outs

Wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, dass nur sehr selten der volle Betrag der Bewertung zum Closing beziehungsweise Abschluss des Deals fließt. Dabei möchten sich insbesondere Käufer innerhalb der Transaktion schützen bzw. die Migration der Assets/Shares flüssiger und risikoärmer gestalten. Der Verkäufer hat bei dieser Ausgestaltung auch nach Vertragsunterschrift eine hohe Motivation an der Übergabe aktiv mitzuwirken, da der Kaufpreis noch nicht vollständig geflossen ist. Auch dies ist von unserer Seite aus durchaus nachvollziehbar und so in Ordnung, wenn die später fließenden Zahlungsanteile (die sogenannten “Deferred-Payments” oder aber auch aufgeteilt “Stability-Payments” bzw. “Earn-Outs”) einer realistischen und fairen Logik folgen. 

Hier nehmen erneut die Jahre 2020 und 2021 eine Sonderrolle ein, denn es wurden sehr starke und oft viel zu hohe Versprechungen mit Blick auf zukünftige Entwicklungen der Zahlungsströme gemacht. Dies fand vorwiegend für die sogenannten Earn-Outs statt, einer Art Beteiligung an zukünftigen Einnahmen des Unternehmens. Diese wurden unserer Ansicht nach zum Großteil viel zu hoch prognostiziert – Resultat waren bzw. sind eine Menge falscher Versprechungen und daraus folgend auch große Enttäuschungen auf der Verkäuferseite – denn nicht alle vermittelten Versprechungen konnten im Nachhinein eingehalten werden. 

Daher ist im Rahmen einer Transaktionsstruktur immer genau zu überlegen, wie diese aussehen soll, wie viel Risiko man bereit ist in der Zukunft mitzutragen und wie viel man zum Deal-Zeitpunkt an Zahlungsanteilen abgesichert haben möchte. 

Eine einfache Faustformel ist wohl, dass ein Käufer immer einen höheren Preis zahlen kann, wenn dafür das Risiko für ihn in die Zukunft verschoben und an den Erfolg des Unternehmens gehangen wird. Auf der anderen Seite sehen wir sehr oft bei Händlern, dass der Fokus stark in Richtung Upfront-Payments, also Geldfluss zum Transaktionszeitpunkt geht, was mit den Erfahrungen der letzten Jahre natürlich vollkommen nachvollziehbar ist.

Mein persönlicher Ratschlag an dieser Stelle ist, dass der Verkäufer mit dem Geldfluss zum Transaktionszeitpunkt insofern zufrieden sein sollte, dass er keine extremen Reue-Gefühle im Nachhinein hat, wenn keine Deferred-Payments gezahlt werden können. Nichtsdestotrotz können natürlich Deferred-Payments innerhalb einer Transaktionsverhandlung so strukturiert werden, dass diese auch realistisch gezahlt werden können. Es genügt dabei, möglicherweise zu hohe zukünftige Erwartungshaltungen einzubremsen und eine nüchterne Entwicklungsbasis des Assets anzunehmen. Auch an dieser Stelle nochmals die Einladung, mit uns zu diesem Thema in direkten Kontakt zu treten und sich an dieser Stelle über unsere hier verlinkte Einladungsseite eine kostenlose Erstberatung zu buchen.

Zusammenfassung und weiterer Input

Die finale Bewertung eines Unternehmens ist natürlich immer sehr individuell und sowohl Käufer als auch Verkäufer verfolgen bei der Analyse beziehungsweise dem Kauf unterschiedlicher Assets vollkommen unterschiedliche Ziele, sodass generelle beziehungsweise pauschalisierte Aussagen an dieser Stelle schlicht falsch wären.

Ich wünsche Dir für alle zukünftigen Verhandlungen viel Erfolg und lade Dich herzlich ein, bei Fragen zu dieser Thematik mit uns direkt in Kontakt zu treten.

 

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