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Einführung
Innerhalb dieses Artikels will ich mich der wohl am zweitmeisten gestellten Frage in unseren Erstberatungen (nach “Wie teuer kann ich mein Geschäft verkaufen? ” widmen) und zwar der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für den EXIT.
Wie auch bei vielen anderen Fragestellungen, spielen hier meiner Meinung nach zwei Betrachtungsweisen eine ganz entscheidende Rolle:
- Die Makrosicht aus verschiedenen Perspektiven zum Zeitpunkt der Fragestellung
- Die Mikrosicht auf das Unternehmen zum Zeitpunkt der Fragestellung
Betrachtung der Perspektiven
Makroperspektive
Marktanalyse
Eine sehr ausschlaggebende Frage, die sich jeder stellen sollte, der ein Geschäft verkaufen möchte, ist der Blick auf die Makrosituation der Nische, in der man sich bewegt. Hier kann es von Vorteil sein, verschiedene Markt-Recherche-Tools wie Google Trends zu nutzen, um sich das Gesamtbild ansehen oder aber Plattform-Intelligence-Tools wie Helium10 zu verwenden, um spezifische Auswertungen auf einer speziellen Plattform, wie z.B. Amazon durchzuführen.
- Nach Analyse der Ergebnisse gilt es eine Auswertung zu machen und darauf seine Entscheidung zu basieren. Es kann Vorteile haben seine Brand/sein Unternehmen zu verkaufen, bevor ein Markt seinen Zenit erreicht hat und nicht mehr weiter wächst, beziehungsweise seinen Hype verliert. Jeder Käufer, der in der Lage ist, größere Summen Geld aufzubringen, wird mit Sicherheit vor Übernahme einer Marke die notwendigen Recherchen anstellen und bei starkem Wachstums- oder Umsatzverlust einer Makronische eher kritisch und zurückhaltend auf ein Asset blicken.
- Gleichzeitig stellt sich natürlich die Frage, ob man verkaufen möchte, wenn innerhalb des Makromarkts noch einfaches natürliches Wachstum nach oben möglich wäre. Es ist logisch, dass man an diesem Wachstum so lange wie möglich partizipieren und nicht zu früh den Absprung setzen möchte.
Mein Tipp an dieser Stelle ist an die meisten unserer Mandate, den Markenverkauf umzusetzen, solange noch ein Wachstum im Gesamtmarkt ist und nicht zu lange zu warten – im schlimmsten Fall endet ein Hype bzw. Boom einer Nische sogar frühzeitig und erfahrungsgemäß gestaltet sich dann ein Asset-Verkauf äußerst schwierig – insbesondere wenn sich der negative Makrotrend auch auf die eigene Performance auswirkt..
Allgemeines wirtschaftliches Umfeld
Ein weiterer, sehr ausschlaggebender Punkt in der Betrachtung des idealen EXIT-Zeitpunkts aus Makroperspektive, ist das allgemeine wirtschaftliche Markt-Umfeld.
Wenn man zum Beispiel mit Blick auf E-Commerce die Jahre 2021 und 2022 vergleicht, wird relativ schnell klar, dass ein Verkauf in 2021 von viel besseren, makroökonomischen Signalen umgeben war als ein EXIT in 2022. In 2021 gab es einen extremen E-Commerce Hype aufgrund Lockdowns, guter Konsumsituation und vollen Geldbeuteln im Konsumenten-Umfeld – währenddessen in 2022 die Ukraine-Krise, die Inflationskrise und die allgemeine schwierige wirtschaftliche Makrolage die Kauf-Situation beziehungsweise Verkaufs-Situation von E-Commerce Marken eher belastet hat. Hieran erkennt man also, dass das Markt-Umfeld einen nicht unerheblichen Effekt auf die EXIT-Strategie hat und sich innerhalb weniger Monate auch stark drehen kann.
Generell ist es also zu empfehlen, seine Marke während einer guten Marktsituation zu verkaufen und jedem, der das im Bereich E-Commerce in den Jahren 2020 bzw. 2021 erfolgreich umgesetzt hat, möchte ich an dieser Stelle erneut zum guten Markt-Timing gratulieren.
Nichtsdestotrotz ist es leider nicht möglich, die makroökonomischen Signale zu 100% vorherzusehen, geschweige denn diese eigehändig zu beeinflussen – so hätte der Verkauf eines bislang nicht verkaufsoptimierten Assets in 2021 dennoch weniger Sinn ergeben, als der eines verkaufsoptimierten Assets in 2022 – das Market-Timing spielt also eine Rolle, muss aber immer auf die eigene Situation angewendet werden – mehr dazu später im Beitrag im Abschnitt „Mikroumfeld“.
Zinssituation
Ein anderer entscheidender Faktor, der mit dem zuvor erwähnten direkt zusammen hängt, ist die allgemeine Zinssituation. Die meisten Käufer von E-Commerce-Assets beziehungsweise von Unternehmen generell bedienen sich bei Übernahmen zumindest zum Teil an einer gewissen Portion Fremdkapital.
Diese will vom Fremdkapitalgeber (Hausbank, Risiko-Kapitalgeber, etc.) verzinst werden und diese Zinskosten schmälern den Return-On-Investment für den Käufer der entsprechenden Assets.
Dieser geschmälerte Return wird sich zwangsläufig auf den Kaufpreis der Marke niederschlagen. Auch hier ist es also vorteilhafter für den Verkäufer, seine Assets in einem Niedrig-Zinsumfeld zu verkaufen – auch wenn das natürlich genauso wie die makroökonomische Situation nicht individuell steuerbar ist. Es muss einem allerdings klar sein, dass die Bewertungsmetriken in einem höheren Zinsumfeld wohl andere sein werden als in einem kontrollierbaren Niedrig-Zinsumfeld – tendentiell eher zum Nachteil des Verkäufers.
E-Commerce M&A-Markt
Die beiden Faktoren „Wirtschaftsumfeld“ und „Zinssituation“ beeinflussen entsprechend auch den letzten größeren makroökonomisches Punkt, den wir betrachten wollen – und zwar den E-Commerce M&A-Markt im Generellen. Dieser war zum Beispiel in den Jahren 2020 und 2021 überaus verkäuferfreundlich, in 2022 hingegen hat er sich im Vergleich zu den Vorjahren für den Großteil der Marktteilnehmer auf Verkäuferseite (davon ausgenommen allenfalls absolute Overperformer mit starken Wachstumszahlen) eher negativ entwickelt – was natürlich auch damit zu tun hat, dass der Markt die beiden Jahre vorher einen starken Hype erfahren hatte. Dies hatte sowohl mit der spezifischen Käuferstruktur (insbesondere dem großen Auftreten von mit Risikokapital finanzierten Käufern) zu tun, als auch mit den zuvor bereits erwähnten vorteilhaften Umgebungsbedingungen.
Wie der E-Commerce M&A-Markt zum aktuellen Zeitpunkt aussieht, kann man natürlich auch jederzeit in einem Gespräch mit mir herausfinden. Dafür empfehle ich an dieser Stelle gerne einfach ein kostenloses Erstgespräch über unseren verlinkten Kalender zu buchen und wir geben gerne Input dazu, wie wir aktuell den Markt wahrnehmen und ob eine gute Zeit zum Verkaufen ist.
Mikroperspektive
Neben der bisherigen Betrachtung externer und nur schwer beeinflussbarer Makrobedingungen spielt aber beim Timing des Verkaufs meiner E-Commerce-Assets natürlich die Mikroperspektive eine ganz entscheidende Rolle – ohne das Fazit vorwegzunehmen möchte ich an dieser Stelle bereits sagen, dass diese meiner Meinung nach deutlich mehr in den Fokus gerückt werden sollte, als dies in den meisten Fällen geschieht.
Strategische Steuergestaltung
Zu Beginn der Betrachtung der Mikroebene stellt sich immer die Frage, welche zeitliche Roadmap man ansetzt und in welcher Reihenfolge die Themen betrachtet werden sollten. Wir raten hier dazu, zuerst die Themen zu betrachten und ggf. bei Bedarf anzugehen, die die längsten Vorlaufzeiten bis zur Lösung der Problemstellung erwarten lassen.
Hier sehen wir bei ganz vielen Händlern und Mandanten insbesondere die steuerliche Gestaltung im Zentrum der Betrachtung, da diese mit einem externen Setup zu tun hat, welches nicht sofort bzw. nicht nur durch den Händler allein veränderbar ist. Tendenziell und aus unserer Warte betrachtet brauchen Änderungen, die die steuerliche Situation angehen, mehrheitlich länger als zwölf Monate – dazu muss vornehmlich der eigene Steuerberater oder aber ein steuerlicher Gestaltungsberater hinzugezogen werden – insbesondere wenn Unklarheit über Strategie, Vorgehen oder aber auch Möglichkeiten herrscht. Ohne hier zu tief ins Detail zu gehen – es ist möglich, hier extreme Vorteile, aber auch extreme Nachteile zu schaffen, weshalb das unbedingt mit einem Experten besprochen werden sollte. Um Empfehlungen für mögliche Experten in diesem Segment zu erhalten, kannst Du uns jederzeit gerne per E-Mail Anfrage kontaktieren (info@brandcircle.de), um eine kostenlose Weiterempfehlung zu erhalten.
Verkaufsfrage generell
Die nächste strategische Frage, die sich gestellt werden sollte, ist die Frage, ob man sein Unternehmen überhaupt verkaufen sollte oder ob es nicht möglich ist, das Unternehmen – wenn ich mich als Gründer zeitlich z.B. herauslösen möchte – auch so zu automatisieren bzw. derartige Strukturen zu schaffen, dass es mich als Geschäftsführer für das Unternehmen nicht mehr länger benötigt. Diese Entscheidung muss jeder Gründer für sich selbst treffen. Allerdings kann es sich gerade in jungen Phasen des Unternehmens noch lohnen, das Unternehmen länger zu behalten, da sowohl die Bewertungsbasis als auch der Multiplikator mit größer werdenden EBITDAs weiter steigt und der Wert des Unternehmens so nicht nur linear, sondern eher exponentiell skaliert.
Es muss allerdings auch dazu gesagt werden, dass in den allermeisten Fällen die Gewinne, die durch einen EXIT erzielt werden, die eines normalen fiskalen Jahres deutlich und bei weitem übersteigen, sodass das Verkaufen eines Unternehmens das größte Cash-Event in der Gründer-Geschichte für zumindest den Gründer darstellen kann. Unserer Meinung nach ist also ein EXIT immer eine gute Möglichkeit, entweder eine Lebenssituation zu verändern, einen großen Pay-Day zu schaffen, aber auch um entsprechend neues Wachstum in das Unternehmen zu bringen, indem externen Geldern die Möglichkeit gegeben wird, das bereits geschaffene Fundament weiter zu skalieren.
Wenn ich mich also für einen Verkauf entschieden habe, stellt sich dann natürlich auch die Frage, wie schnell und zu welchem Zeitpunkt ich verkaufen möchte. Hierzu findest Du einen weiteren ausführlichen Artikel unter diesem Link, in dem ich explizit auf diese Fragestellung eingehe.
Unternehmenskennzahlen
Bei der Betrachtung der Unternehmenskennzahlen wird es sehr individuell – es lässt sich allerdings meiner Meinungn nach immer behaupten, dass eine ausgiebige Vorbereitung auf den EXIT die Ergebnisse verbessert und den Ablauf bzw. den Prozess reibungsloser macht.
Weitere Betrachtungspunkte, die mein EXIT-Ergebnis definitiv beeinflussen werden und entsprechend in einer Betrachtung der Mikrosituation bzw. des Timings nicht fehlen sollten, sind:
- Umsatz:
Tendenziell lassen sich Marken und Unternehmen, die eine steigende Umsatzentwicklung haben, besser verkaufen als jene, die fallen bzw. umsatzseitig stagnieren. Wenn jedoch eine ganz spezielle Strategie dahinter steckt, warum ein Umsatzrückgang sichtbar wird oder aber nachvollziehbar ist, dass zuvor Situationen geherrscht haben, die den Umsatz ungerechtfertigterweise stark nach oben geschoben haben, kann sich das auch anders verhalten oder der negative Eindruck zumindest abgeschwächt werden.
- EBITDA:
Der meiner Meinung nach noch ausschlaggebendere Punkt ist allerdings (speziell in Phasen, in denen KEINE niedrige Zinspolitik herrscht) die Entwicklung des EBITDAs. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass speziell in der Monat-zu-Monat-Entwicklung und in der Jahr-zu-Jahr-Betrachtung ein Steigen des EBITDAs vorteilhaft ist. Unserer Erfahrung nach lassen sich “steigende” Assets deutlich einfacher verkaufen, als wenn ein Rückgang der Einnahmen zu verzeichnen ist – dies zieht sowohl die Bewertungs-Multiplikatoren, als auch die allgemeine Stimmung in den Verhandlungen tendentiell nach oben.
- Kostenoptimierung der LTM (last twelve months):
Ein weiterer Punkt, der die Bewertung des Unternehmens maßgeblich beeinflusst, sind Kostenposten, die insbesondere innerhalb der letzten zwölf Monate im Unternehmen anliefen. Eine Auswertung, welche davon optimiert werden können, wenn das Unternehmen noch weitere Monate betrieben wird, macht an dieser Stelle Sinn. Eine Bewertung des Unternehmens basiert sehr oft auf dem EBITDA beziehungsweise dem bereinigten EBITDA der letzten zwölf Monate und wenn innerhalb dieser zwölf Monate die Einnahmen- und Ausgaben-Situation des Unternehmens nicht ideal war und absehbar besser gestaltet werden kann, macht es ggf. Sinn, mit dem EXIT noch zu warten, bis diese Verbesserungen vorgenommen wurden. Dabei sollte allerdings ganz nüchtern betrachtet werden, welche Kosten wirklich optimiert werden können und welche möglicherweise nachhaltig für das Unternehmen notwendig sind, um nicht Umsatz beziehungsweise EBITDA liegenzulassen.
- Langfristiges Wachstumspotential:
Ein letzter pauschalisierbarer Punkt in der Betrachtung, der für einen Käufer, aber auch für einen Verkäufer sehr relevant ist, ist der des langfristigen Wachstumspotentials – sowohl was das Produktportfolio, als auch was den Markt an sich angeht. Wie bereits zuvor erwähnt, macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, eine Marke erst dann in den Verkauf zu geben, wenn der Zenit bereits erreicht ist, sondern man sollte immer innerhalb einer Wachstumsphase verkaufen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen – auch wenn das bedeutet, dass vielleicht nicht jeder einzelne Euro, den man an EBITDA erzeugen könnte in naher Zukunft, bereits jetzt bewertet wird – es gestaltet aber den Verkaufs-Prozess für den Käufer einfacher, da er in der Lage ist, mehr in das Asset interpretieren zu können, als wenn die Deckelung bereits erreicht ist.
Supply-Chain und rechtliche Situation
Zum Abschluss der oberflächlichen Betrachtung der entscheidenen Blickwinkel aus der Mikroperspektive, möchte ich noch zwei Aspekte beleuchten, die definitiv vor Start einen EXIT-Prozess betrachtet und entschieden gelöst werden sollten.
- Problemstellung mit Supply-Chain
- Supply-Chain-Probleme wirken sich sehr negativ auf Verhandlungen aus, insbesondere wenn diese mit Artikel-Sicherheit, Beschaffungsschwierigkeiten oder aber Problemen mit den Lieferanten hinsichtlich Preisgestaltung oder anderer Qualitäts- beziehungsweise Zuliefer-Problemen zu tun haben.
- Es empfiehlt sich hier also eine nüchterne Betrachtung der vorliegenden Situation zu treffen und entsprechend danach zu handeln.
- Rechtliche Problemstellungen
- Rechtliche Probleme führen meist dazu, dass eine Transaktion entweder gestoppt oder zumindest pausiert wird, bis diese rechtlichen Probleme absehbar gelöst oder lösbar sind.
- Dabei kann es sich z.B. um markenrechtliche Themen oder aber auch Streitigkeiten mit Dienstleistern oder Mitarbeitern handeln.
Beide Problematik stellen meiner Erfahrung nach während einer DueDiligence im Kaufprozess absolute Dealbreaker oder zumindest Dealstoper dar – es sollte also bei Betrachtung des EXIT-Timings also beachtet werden, dass diese Problemstellungen zuvor oder während der Aufbereitung zu lösen sind.
Gesamtfazit und weiterer Input
Insgesamt ist also zu sagen, dass eine Bewertung, wann der richtige Zeitpunkt für einen EXIT ist, überaus individuell und gleichzeitig auch nicht ganz einfach zu treffen ist. Diese hat immer mit privaten aber auch externen Faktoren zu tun. Unserer Meinung nach muss zudem immer die Betrachtung des Makro- aber auch des Mikro-Umfelds samt der erwähnten strategischen Fragen erfolgen, um eine perfekte Positionierung in der Zeitachse für den EXIT in irgendeiner Form zu bestimmen.
An dieser Stelle meine klare Meinung – ich erachte die Betrachtung der Mikroebene dabei als deutlich relevanter im Vergleich zur Makroebene. Ein gut aufgestelltes Unternehmen, das prächtige Gewinne abwirft und sicher für die Zukunft aufgebaut wurde stellt immer ein relevantes Asset zur Übernahme dar, relativ unabhängig von der Makroebene – ausgenommen davon natürlich Spezialfälle oder große globale Krisen.
Dennoch macht es Sinn sich mit allen erwähnten Thematiken proaktiv auseinanderzusetzen. Wenn Du an dieser Stelle eine individuelle Einschätzung von uns haben möchtest, scheue Dich bitte nicht über diese Seite in ein kostenloses Gespräch mit uns zu gehen – wir können Dir hier gern weiteren Kontext individuell auf Dich und Deine Assets zugeschnitten geben.
Ich wünsche Dir an dieser Stelle ganz viel Erfolg bei der Einschätzung Deiner Situation und dem danach möglicherweise startenden EXIT-Prozess!